Der Fall Ella Franklin oder
Gerade noch gut gegangen


Heinz Klose hatte ich Mitte der 90er Jahre über meine Büro-Eröffnungsanzeige in der Tageszeitung kennengelernt. In Ratingen hatte Herr Klose eine Handelsagentur mit Show-Room für hochwertige Handtaschen.
 
Die italienischen Handtaschen mit der Marke „Ella Franklin“ waren hochpreisig und wurden exklusiv in nur wenigen Städten verkauft.
 
Heinz Klose hatte die Marke als Warenzeichen, wie die Marken früher hießen, beim Deutschen Patentamt eintragen lassen.
 
Die Handtaschen wurden nicht nur in Deutschland verkauft, sondern auch in Österreich, den Benelux-Ländern, der Schweiz, in Spanien und Italien. Die Büroeröffnungsanzeige gab Heinz Klose den Anstoß, einen Schutz auch im Ausland anzustreben. Daher sprach er mich an.
 
Damals gab es noch nicht die bequeme europäische Gemeinschaftsmarke. Für einen Auslandsschutz in Europa musste man die Marke in jedem einzelnen Land separat anmelden. Alternativ konnte man die deutsche Marke auch international auf bestimmte Auslandsstaaten erstrecken. Das machten wir 1994.
 
Aber dann …
 
Die Bombe platzt
 
Was wir nicht wussten, war, dass jemand anderes – wie in der Geschichte vom Hasen und dem Igel – uns bereits zuvorgekommen war. Ein Kunde von Heinz Klose, ein Italiener namens Cesare d’Monti mit einem kleinen exklusiven Schuhladen in Wien in der teuren Einkaufsstraße Graben war schneller gewesen: Bereits 1992 hatte er die Marke „ELLA FRANKLIN NEW YORK“ beim Österreichischen Patentamt angemeldet. Die Marke wurde im Januar 1993 eingetragen.
 
Von dieser tickenden Zeitbombe wussten wir damals nichts. Zu dieser Zeit konnte man die amtlichen Register nicht so problemlos einsehen, schon gar nicht über das Internet wie heute.
 
Cesare d’Monti wartete zunächst ab. Erst 1996 ließ er die Bombe platzen.
 
An einem regnerischen Freitag im Mai rief mich Heinz Klose in heller Aufregung an: „Eine Kundin, Frau Pokorny in Wien, hat eine Abmahnung erhalten von d’Monti, einem anderen Kunden. Sie soll sofort den Verkauf der Handtaschen „Ella Franklin“ einstellen. Wie kann das denn sein? Das ist doch nicht möglich! Frau Pokorny hat doch Jahre lang „Ella Franklin“-Handtaschen von uns bezogen. Wir müssen hier unbedingt was tun! Was können wir denn tun?“.
 
Die Krise

Ich versuchte Heinz Klose zu beruhigen, was mir aber kaum gelang: „Von Deutschland aus können wir nichts machen. Das muss in Österreich erfolgen. Mit der österreichischen Rechtsprechung in solchen Fällen kenne ich mich aber nicht aus. Ich kenne aber einen guten Patentanwalt in Wien, mit dem ich schon lange zusammenarbeite und der uns sicherlich helfen wird.“
 
Klose: “Ja, sprechen sie ihn sofort an. Die Marke von d’Monti muss sofort weg. Auch die Abmahnung.“
 
Aus meiner Zeit bei der Firma Henkel kannte ich den Patentanwalt Schieszler in Wien, der immer sorgfältig und erfolgreich gearbeitet hatte. Ich rief ihn am gleichen Tag an und schilderte das Problem: „Nach meiner Meinung ist es wohl eine unerlaubte Marke eines ausländischen Handelsagenten. Hier gibt es doch eine Bestimmung in der PVÜ. Danach könnte man die Marke von d’Monti beim Patentamt löschen lassen. Was meinen Sie?“
 
Patentanwalt Schieszler entgegnete: „Hiermit kommen wir nicht so leicht durch. Diese Bestimmung wird sehr selten angewandt. Insgesamt sieht es schlecht aus. Das Österreichische Patentamt tut sich hier in einem solchen Fall recht schwer. Einfacher wäre es über das Handelsgericht in Wien.
 
Es gibt nur eine einzige halbwegs sinnvolle Möglichkeit. Es könnte vielleicht ein Fall von unlauterem Wettbewerb sein. Dann läuft die Sache über das Handelsgericht Wien. Die Richter dort sind für solche Fälle eher aufgeschlossen als das Patentamt. Wie die Erfolgsaussichten sind, kann ich so aber auch nicht sagen. Ich müsste erst aber einen befreundeten, fachkundigen Rechtsanwalt hierzu fragen, Rechtsanwalt Buchmann. Ich treffe ihn ohnehin am Wochenende und spreche mit ihm. Anfang nächster Woche melde ich mich.“
 
Am Montag teilte Patentanwalt Schieszler mit: „Rechtsanwalt Buchmann meint, über die Schiene „Unlauterer Wettbewerb“ sollten wir am besten vorgehen. Sonst hätten wir gar keine Aussichten. Schwierig wird es aber auf jeden Fall. Sagen Sie dem Mandanten, dass die Aussichten nicht so rosig sind, dass wir hier gewinnen.“
 
Diese deprimierende Beurteilung besprach ich mit Heinz Klose. Auf die Frage von Heinz Klose nach den Kosten musste ich ihm mitteilen: „Die ganze Sache wird nicht unter 10.000 DM ausgehen.“ Klose hierzu: „Oh, ich wollte mir doch dieses Jahr ein neues Auto kaufen. Das muss dann wohl verschoben werden, aber wir müssen weitermachen“.
 
Rechtsanwalt Buchmann sprach zunächst d’Monti an. Er forderte ihn auf, die Marke löschen zu lassen oder zumindest die Abmahnung zurückzunehmen.
 
Herr d’Monti allerdings weigerte sich. Er fühlte sich im Recht. Es kam noch schlimmer. Zusätzlich ging Cesare d’Monti gegen unsere international registriert Marke vor und versuchte, diese für Österreich zu löschen.
 
Das war eindeutig zu viel. Ein Prozess vor dem Handelsgericht Wien war unausweichlich.
 
Schieszler und Buchmann benötigten für den Prozess viele Unterlagen, die die jahrelange rechtmäßige Benutzung der Marke „Ella Franklin“ in Österreich belegten. Hierzu beschaffte Heinz Klose viele italienischsprachige Belege für den Import der „Ella Franklin“-Handtaschen. Schließlich erhielten wir aus Italien ein ca. 16 cm dickes Paket Dokumente, die die Benutzung der Marke „Ella Franklin“ belegten. Die Dokumente wurden nach Wien geschickt.
 
Noch einmal gut gegangen

Der Rechtsanwalt Buchmann reichte eine Klage vor dem Handelsgericht Wien ein. Nach einigem Hin und Her hatten wir glücklicherweise Erfolg. Das Handelsgericht entschied zu unseren Gunsten, dass d’Monti seine Marke löschen müsse. D’Monti legte gegen diese Entscheidung kein Rechtsmittel ein.
 
So ist die ganze Sache gerade noch gut ausgegangen. Darauf kann man sich allerdings nicht verlassen. Gerade in solchen Fällen mit bösgläubigen, man sollte eher sagen „bösartigen“ Markenanmeldungen hat man oft keinen Erfolg.
 
Besser also: Wichtige Marken rechtzeitig und überall dort schützen, wo die Produkte verkauft werden.
 
Als ich Herrn Klose fragte, ob ich diese Geschichte veröffentlichen dürfte, wobei Namen, Orte, Produkte geändert sind, stimmte er zu: „Gerne dürfen Sie diesen Fall verwenden“.

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